Am Doktorandenkolleg "Ethik und gute Unternehmensführung", das am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) angesiedelt ist, ist zum 1. Oktober 2019
1 Promotionsstipendium
mit dem thematischen Fokus
"Unternehmensethik für Zivilgesellschaftliche Organisationen"
zu vergeben. Das Stipendium umfasst ein monatliches Lebenshaltungs- und Forschungskostenstipendium in Höhe von 1.350 Euro für maximal drei Jahre und eine Mitgliedschaft im Doktorandenkolleg.
Das Projekt wird von Prof. Dr. Ingo Pies (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) betreut (
https://ethik.wiwi.uni-halle.de/2166_199920/2166_199912/).
Die Bewerbungsfrist für das Stipendium ist der
9. Dezember 2018.
Die Unternehmensethik hat typischerweise Organisationen im Blick, deren Produkte und Dienstleistungen auf Kunden ausgerichtet sind. Diese Kunden erfüllen zwei Funktionen: Zum einen sind sie die Nutznießer unternehmerischer Leistungen. Und zum anderen beteiligen sie sich durch die Erstattung des Marktpreises daran, die Produktionskosten des Unternehmens zu decken. In wettbewerblich strukturierten Märkten haben Kunden eine Abwanderungsoption. Sie können Unternehmen durch Zahlungsentzug bestrafen. In der Konsequenz sind Unternehmen daran interessiert, ihr Verhalten auf die Wünsche der Kunden auszurichten.
Bei zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO) ist das anders. Sie bieten Güter an, bei denen die beiden Kundenfunktionen getrennt sind und unterschiedlichen Personenkreisen zugewiesen werden. Da die Nutznießer sich entweder gar nicht oder nur teilweise an der Kostendeckung beteiligen – Beispiel: Katastrophenopfer, die Hilfsleistungen erfahren –, sind ZGO darauf angewiesen, dass ehrenamtliche Mitarbeiter, Spender und Sponsoren Ressourcen zur Verfügung stellen.
Das bedeutet: Die bilateralen Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen nehmen im Fall Zivilgesellschaftlicher Organisationen die Form einer Dreiecksbeziehung an, weil es sich bei Nutznießern und Ressourcengebern um unterschiedliche Gruppen handelt. Hierdurch entstehen besondere Governance-Probleme: Die Nutznießer können die Quantität und Qualität der Leistungen einschätzen, haben aber kein Sanktionspotential, um eine Korrektur von Fehlleistungen zu bewirken. Umgekehrt verfügen die Ressourcengeber zwar über das nötige Sanktionspotential; allerdings fehlt es ihnen an Informationen, um sinnvoll eingreifen zu können.
Dies stellt die moralische Integrität Zivilgesellschaftlicher Organisationen vor große Herausforderungen: Wie können sie sich ihren Ressourcengebern gegenüber glaubwürdig darauf verpflichten, die Bedürfnisse der Nutznießer befriedigen zu wollen, obwohl sie von diesen (anders als Unternehmen von ihren Kunden) für etwaige Fehlleistungen nicht durch Zahlungsentzug bestraft werden können?
Um die moralische Integrität von Unternehmen zu fördern und ihr Wertschöpfungsverhalten nachhaltig auszurichten, hat die Ordonomik eine Strategiematrix entwickelt, mit der man soziale Dilemmastrukturen identifizieren und so unausgeschöpfte Win-Win-Potentiale aufspüren kann. Ziel des Forschungsprojekts ist es, dieses unternehmensethische Instrumentarium auf das Wertschöpfungsverhalten von Zivilgesellschaftlichen Organisationen zu übertragen. Untersucht werden soll, inwiefern auch sie in der Lage sind, moralische Bindungen als "Produktionsfaktor" einzusetzen: als eine kluge Investition in Regelarrangements, die sich "bezahlt" machen, weil sie die moralische Integrität der eigenen Organisation und damit ihre Attraktivität als Kooperationspartner erhöhen, so dass Ethik und Ökonomik hier gewissermaßen Hand in Hand gehen können.
Der Betreuer des Projekts ist Prof. Dr. Ingo Pies. Damit verbindet sich die Einladung, durch eigene Theoriearbeit am ordonomischen Forschungsprogramm mitzuwirken.
Zugleich soll die theoretische Forschung durch konkrete Fallstudien abgestützt werden, für die das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik geeignete Praxispartner vermittelt. Für das Forschungsprojekt laufen bereits konkrete Gespräche mit einer international operierenden ZGO und einer politischen Stiftung hinsichtlich einer Zusammenarbeit.
Weiterführende Literatur
Beckmann, Markus, Stefan Hielscher und Ingo Pies (2014): Commitment Strategies for Sustainability: How Business Firms Can Transform Trade-Offs Into Win-Win Outcomes, in: Business Strategy and the Environment 23(1), S. 18-37.
Hielscher, Stefan, Winkin, Jan, Crack, Angela and Ingo Pies (2017): Saving the Moral Capital of NGOs: Identifying One-Sided and Many-Sided Social Dilemmas in NGO Accountability, in: VOLUNTAS: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations, 28(4), S. 1562-1594. DOI:10.1007/s11266-016-9807-z
Pies, Ingo (2009): Moral als Produktionsfaktor. Ordonomische Schriften zur Unternehmensethik, Berlin: wvb.
Pies, Ingo, Stefan Hielscher und Markus Beckmann (2009): Moral Commitments and the Societal Role of Business: An Ordonomic Approach to Corporate Citizenship, in: Business Ethics Quarterly 19:3, S. 375–401.
Pies, Ingo, Stefan Hielscher und Markus Beckmann (2009): Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensethik – Ein ordonomischer Beitrag zum Kompetenzaufbau für Führungskräfte, in: DBW – Die Betriebswirtschaft, 69. Jg., Heft 3, S. 315-330.
Pies, Ingo, Markus Beckmann und Stefan Hielscher (2010): Value Creation, Management Competencies, and Global Corporate Citizenship: An Ordonomic Approach to Business Ethics in the Age of Globalization, in: Journal of Business Ethics, vol. 94, S. 265–278.
Pies, Ingo, Markus Beckmann und Stefan Hielscher (2011): Was müssen Führungskräfte können? Zur ordonomischen Vermittlung strategischer Kompetenzen für Manager, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB), Special Issue 1/2011, Jg. 81, S. 15-38.
Das internationale Doktorandenkolleg "Ethik und gute Unternehmensführung" fördert DoktorandInnen, die in ihren Promotionsvorhaben für Problemstellungen der Wirtschafts-, Unternehmens- und Führungsethik wissenschaftlich fundierte und zugleich praxistaugliche Lösungen entwickeln. Hierzu richtet es sich an fachlich herausragende, gesellschaftlich engagierte sowie global denkende und handelnde NachwuchswissenschaftlerInnen aus aller Welt.
Das Kolleg baut auf vier Säulen auf:
- Es unterstützt DoktorandInnen bei ihren Forschungsvorhaben, die von führenden Professoren der Wirtschafts-, Unternehmens- und Führungsethik betreut werden.
- Ein promotionsbegleitendes, englischsprachiges Studienprogramm bietet den DoktorandInnen vielfältige Seminare und Vorträge und eröffnet unterschiedliche Möglichkeiten zur wissenschaftlichen und beruflichen Vernetzung.
- Über eine Dialogplattform erhalten die DoktorandInnen Zugang zu Praxispartnern, um die eigene Forschung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext einzubetten und auf die Problemstellungen der Praxis zu übertragen.
- Das Kolleg unterstützt die DoktorandInnen finanziell durch die Vergabe von Stipendien.
DoktorandInnen werden für drei Jahre ins Kolleg aufgenommen. Innerhalb dieser Zeit sollen sie ihre Promotionsvorhaben beenden.
Immatrikuliert sind sie an der Universität, welcher ihr Doktorvater bzw. ihre Doktormutter angehört. Von dieser Universität wird ihnen ihr Doktortitel verliehen.
Das Kolleg ist in der Lutherstadt Wittenberg beheimatet. Daher müssen DoktorandInnen ihren Erstwohnsitz während der ersten beiden Jahre ihrer Mitgliedschaft im Kolleg in der Lutherstadt Wittenberg oder der Umgebung (d.h. im Großraum Berlin, Halle, Leipzig) haben.
Für weitere Informationen siehe:
www.ethicsinbusiness.eu.